Weite Landschaftsbilder, duftende Moore und Heidelandschaften sowie kulturhistorische Städte begleiten den Genussradler entlang der Ems. Die wunderbare Streckenführung über viele flache Kilometer versprechen garantiert entspannte Tage im Sattel – und das für die ganze Familie.
Am Fuße des Teutoburger Waldes, in der Senne, plätschert die Ems zu Tage. Hier im Naturschutzgebiet Moosheide umgarnt von hoch aufgeschlossenem Wald vereinen sich muntere Wasserläufe zu dem Fluss, der durch das Münsterland unaufhaltsam gen Norden ins Ostfriesische Emden strebt. Zwischendrin darf die Radlergemeinde sich über beste Gegebenheiten wie Ausschilderung und Wegebeschaffenheit erfreuen, die ein wunderbar einfaches Vorwärtskommen versprechen.
Gelebte Westfälische Tradition
„In Westfalen ist nicht alles tot was begraben ist“, schrieb einst der berühmte deutsche Dichter und Schriftsteller Heinrich Heine nach seinem Aufenthalt im Westfälischen. Gemeint sind die unzähligen Überlieferungen, Sagen und gelebte Traditionen, die untrennbar mit den freundlichen Menschen am Teutoburger Wald einhergehen. Großartiges Zentrum der Region und erster Abstecher vom Quellgebiet ist gleich zu Beginn Paderborn, dessen spannende Geschichte auf Karl den Großen zurückreicht. Der alles überragende romanisch-gotische Dom, die mittelalterliche Kaiserpfalz oder das Rathaus sind nur wenige zu Stein gewordene Beispiele der Stadthistorie. Wir rollen nach Hövelhof. Nach dem Besuch im lehrreichen Heimatzentrum setzen wir die Fahrt fort und radeln direkt ins Grüne hinein. Entlang dem Naturschutzgebiet Steinhorster Becken pedalieren wir nach Rietberg auf den Bolzenmarkt. Eine Vielzahl historischer Fachwerkbauten verleihen ihr den schönen Beinamen „Stadt der schönen Giebel“. Ganz in diesem Sinne erfahren wir Rheda-Wiedenbrück. Die Doppelgemeinde spart nicht mit Eindrücken, so den schönen Fachwerkbürgerhäusern und dem dominierenden Wasserschloss aus dem 12. Jd. das auch zugleich das interessante Kutschermuseum beherbergt. Vorbei am Stadtrand von Gütersloh und der erhabenen Abteikirche Marienfeld sausen wir einem weiteren Stück Westfälischer Geschichte entgegen. Warendorf ist weit über die Landesgrenzen das Synonym für Pferdekult und Springreiterei. Alljährlich jeweils Ende September und Anfang Oktober findet die große „Warendorfer Hengstparade“ statt, deren farbenfrohes Schauspiel Tausende von Besuchern anzieht. Durch die mit historischen Bauwerken üppig beschenkte Altstadt kehren wir zurück auf den Radweg und genießen die Naturlandschaften nach Telgte. Pilgerstätte für viele ist die barocke Gnadenkapelle aus 1657 mit der geschnitzten „Schmerzhaften Mutter“. Ruhig trägt indes die Ems ihre Wasser nach Greven und führt uns im Freilichtmuseum Sachsenhof Pentrup ins 9. Jh. Prächtig rekonstruierte Reet gedeckte Bauten von geflochtenen Weidenzäunen umschlossen bieten den Eindruck im Mittelalter zu wandeln.
Unterwegs im Münsterland
Emsnah durchfahren wir saftige Weiden und Ackerlandschaften, wo rundliche Schafe fast regungslos im Grün verharren. Das Tor zum Emsland bildet am drittgrößten norddeutschen Fluss das idyllische Städtchen Rheine. Leicht bergauf gelangen wir auf den mit Kopfstein gepflasterten Marktplatz. Hübsche Giebelbauten ducken sich im Schutz der übermächtigen St. Antonius Basilika mit dem höchsten Turm im Münsterland. Am Dorfbrunnen genießen wir den Anblick, bevor wir den Weg nach Bentlage zur Saline Gottesgabe suchen. Wunderbar umspielt von bunten Blumenbeeten und dem nahen Teich befindet sich auch der Natur Zoo. Eine breite von jahrhunderten Jahre alten Eichen gesäumte Allee weist nun den Weg zum Kloster Bentlage. Heute dient es als Schloss für die westfälische Galerie mit Werken berühmter Künstler.
Hier verlassen wir Nordrhein-Westfalen und huschen nach Niedersachsen. Eine weitere flache Etappe bringt uns über Emsbüren in das historische Lingen. Als wichtiger Handelsknotenpunkt der Region an der Ems spiegeln die vielen herrschaftlichen Häuser bis heute den Wohlstand der Kleinstadt wieder. Bald sitzen wir wieder auf den Rädern. Immer öfter bekommt die Ems Zufluss durch schmale Kanäle und Bächlein, die für Abwechslung auf unserer Route sorgen. Gespannt streben wir Meppen entgegen, der Stadt an Ems, Dortmund-Ems-Kanal und Hase. Letztere mündet bei der Höltingmühle, die ihren Platz auf einer schmalen Landzunge findet, in den Kanal. Der Biergarten unter den Schatten spendenden Bäumen ist ein beliebter Treffpunkt für Radfahrer, die entspannte Momente suchen. Um in die Altstadt zu gelangen fahren wir im Halbkreis herum, radeln über die Brücke und direkt in die Altstadt. Schon im 8. Jh. gab sich hier Karl der Große die Ehre und ließ eine Taufkirche erbauen, der 1461 die Propsteikirche folgte. Meppen präsentiert sich aufgeräumt mit seinen rot gepflasterten Gassen. So manches Baudenkmal wurzelt seit Jahrhunderten im Ort. Ein wunderbares Fotomotiv ist das auf dem Marktplatz freistehende historische Rathaus von 1411. Überreich beschmückt mit Giebelchen ist es nur ein Steinwurf von der barocken Gymnasialkirche entfernt. Wir verlassen Meppen über die alte Hubbrücke und radeln Richtung Norden. Das alte Versener Wehr von 1897 fliegt an uns vorüber. Die Zickzackfahrt durch ein kleines Waldgebiet bringt uns direkt in das 30 ha große Naturschutzgebiet Borkener Paradies. Zum Schutz von Flora und Fauna angelegt gilt es als Lehrbuchbeispiel einer ehemals gemeinschaftlich genutzten, historischen Hutelandschaft. So wie sie Anfang des 19. Jh. auf der nordwestdeutschen Geest den größten Raum einnahm. Dieser wird wunderbar von einem Altarm der Ems umgeben, dort wo in Auenwäldern dicke, müde bemooste Äste bis auf den Boden hinunterreichen –
märchenhaft.
Ostfriesland wir kommen
Unterwegs in die alte Schifferstadt Haren vermuten wir schon manchmal die salzhaltige Luft der Nordsee im Gesicht. Die Route führt uns nun in stetigem Wechsel über beide Uferseiten der Ems. Die hervorragende Ausschilderung macht auch hier ein heiteres Vorwärtskommen möglich. Landschaftlich geprägt treiben wir Haren entgegen. Das alles überragende Gebäude ist der Emsland-Dom namens St. Martin, der sich in verschachtelter Bauweise präsentiert. Natürlich gibt es auch ein Schifffahrtsmuseum, denn die Harener Geschichte ist seit Jahrhunderten eng mit der Ems-, Küsten- und Seeschifffahrt verbunden. So können wir jetzt unzählige Exemplare wie die Spitzpünte „Helene“ bewundern. Ein Nachbau des legendären Schiffes, das um die Jahrhundertwende fünfmal den Atlantik nach Brasilien überquerte. Oder der Schleppdampfer „August“ aus dem Jahr 1910 sind nur wenige der vielen Anschauungsobjekte.
Durch das südliche Ostfriesland radeln wir weiter nach Papenburg, der Fehnkolonie entgegen. Man sagt in Papenburg beginnt das eigentliche Emsland. Früher war die Region eine der ärmsten und einsamsten Landschaften in Deutschland, mit weitläufigen Hochmooren und baumfreien Heideflächen. Damals verkehrten auf der Ems ausschließlich Pünten und Mutten, also kleine Binnenschiffe, die den gestochenen Torf abtransportierten. Für die Kolonie wurden von der Ems breite Kanäle zwecks Entwässerung in das Moor gegraben, um das Land urbar und damit bewohnbar zu machen. Im Laufe der Zeit entwickelte sich die Fehenkolonie als wichtiger Hafen mit einer Werft, wo schon früher die mächtigsten Segelschiffe gewartet und gebaut wurden. Hier fand die Meyerwerft ihren Ursprung, die mittlerweile zu den größten der Welt gehört und schon so manchen Ozeanriesen auf Reisen schickte. Weiter auf dem Weg gehn Norden, genauer gesagt bei Weener hat unlängst ein Schiff die historisch- schöne Friesenbrücke gerammt und damit unpassierbar gemacht. Die Umleitung ist aber bestens ausgeschildert!
Nostalgisch nach Emden
Einige Pedaltritte entfernt erblicken wir dann auch der alten Hafenstadt Leer am Zusammenfluss von Leda und Ems entgegen. Gerne bezeichnet sie sich als „Tor Ostfrieslands“. Ihre pittoreske Altstadt gehört zu den schönsten in Niedersachsen. Schon in der Vergangenheit wurde der Ort vom Handel geprägt. Zeugen dieser Zeit sind unter anderem das Rathaus mit wunderbaren Giebeln und die Waage. Am Hafen genießt man die vorbeifahrenden Boote bei einer Tasse Friesentee – apropos Tee. Nicht dass dieser hier entdeckt oder gar angebaut würde, nein, vielmehr hat sich die Ostfriesische Teekultur als lokale Besonderheit etabliert. Hier wird er noch, wie vor Jahrhunderten, auf traditionelle Art und Weise serviert. 288 Liter pro Jahr beläuft sich der Pro-Kopf-Konsum und kommt somit in der internationalen Rangliste auf Platz 4. 1610 brachten erstmals Schiffe der Niederländischen Ostindien-Kompanie Tee nach Europa. Schon bald darauf dürften durch ostfriesische Schiffer erstmals Tee auch nach Ostfriesland gekommen sein. Zunächst wurde das neue Gebräu ausschließlich als Medizin gereicht. Doch schnell verbreitete sich das Genussmittel und drängte das Bier als Hauptgetränk stark zurück. Schwindende Steuereinnahmen waren die Folge und veranlasste die Obrigkeit im 18. Jh. dem Teegenuss entgegenzuwirken. Zwei Jahre später musste Friedrich II. sein Vorhaben aufgeben und erlaubte ganz offiziell seinen Untertanen den Genuss des „chinesischen Drachengiftes“. Auf den letzten Kilometern nach Emden schweift unser Blick nochmals über plattes Land und den Dollart (Meeresbucht) bevor wir in der Seehafenstadt Emden einrollen. Ostfriesland ist durch die Ostfriesenwitze bekannt. Seit 1973 strapaziert aber ein besonderer Zeitgenosse die Lachmuskeln der Deutschen – der Komiker Otto Waalkes. Seine Geburtsstadt Emden widmete ihm ein Haus – „Dat Otto-Huus“. Attraktionen rund um Ottifanten und Co. können täglich bestaunt werden – manchmal lässt er sich auch selber blicken. Hier satteln wir ab nach vielen entspannten Tagen auf dem Zweirad und verabschieden uns von der schönen Ems.
Infos
Länge: ca. 375 km; Start: Paderborn; Ziel: Emden; Tourdauer: 5-7 Tage; Tourdauer: 4-6 Tage
Anreise
Mit dem PKW: Paderborn liegt an der Autobahn A33. Die A33 trifft beim Autobahnkreuz Bielefeld auf die A2 (Ruhrgebiet-Hannover) und beim Autobahnkreuz Wünnenberg/Haaren auf die A44 (Dortmund-Kassel).
Die Paderborner Autobahn-Ausfahrten der A33 sind (von Norden nach Süden): Sennelager, Schloß Neuhaus, Elsen, Zentrum und Mönkeloh.
Mit der Bahn: Paderborn hat drei Bahnhöfe: den zentralen Hauptbahnhof, sowie den Bahnhof Kasseler Tor (an der Warburger Straße) und den Nordbahnhof (an der Nordstraße).Weitere Infos und Kostenübersicht unter: Tel.: (01805) 996633 (Euro 0,14/Min aus dem Festnetz) oder unter www.bahn.de/bahnundbike.
Fernbus: Paderborn ist auch an das Fernbusnetz angeschlossen und bietet somit eine kostengünstige Anreisemöglichkeit. Fernbus-Haltestellen gibt es am Hauptbahnhof und in der Hathumarstraße am Parkplatz Paderhalle. Informationen finden Sie auf den Internetseiten des Anbieters “Flixbus”.
Streckencharakter/ Beschilderung
Größtenteils verläuft die Tour auf asphaltierten Radwegen oder verkehrsberuhigten Nebenstraßen. Steigungen gibt es eigentlich keine, genauso wenig wie stark befahrene Straßen. Die Radroute ist sehr gut beschildert. Durchgehend und mit einheitlicher Wegweisung fällt die Orientierung leicht.
Sehenswertes
Paderborn: Dom, Städtische Galerie, Rathaus, Adam- und Eva-Haus, Schloss Neuhaus, verschiedene Museen
Hövelhof: Dorfschulmuseum Riege, Mühlen am Furlbach, Jugendstilkapelle; Rietberg: Ehem. Franziskanerkloster, Johanneskapelle, St. Margareta, Historisches Rathaus, Orgelbauwerkstadt, Kunsthaus
Wiedenbrück: Marienkirche, Franziskanerkloster, Museum Wiedenbrücker Schule; Rheda: Wasserschloss
Gütersloh: Stadtmuseum, Martin-Luther-Kirche, St. Pankratius; Warendorf: Historisches Rathaus und Marktplatz, WarendorferHengstparade (Sep.-Okt.) Franziskanerkirche und Kloster, Stadtmuseum
Telgte: Kornbrennerei-Museum, Barocke Gnadenkapelle, Pfarr- und Propsteikirche St. Clemens
Greven: Technisches Kulturdenkmal „KÜ“, Reste der Burg Schöneflieth, Schulzenhof Höping Pellengahr mit Wehrspeicher; Rheine: Falkenhof, Emsmühle, historischer Rundgang, Kath. Basilika; Bentlage: Schloss, Saline Gottesgabe; Lingen: „Historisches Spektakulum“ mit den Kivelingen, Haus Hellmann, Historischer Stadtkern mit Rathaus und Marktplatz
Meppen: Gymnasialkirche, historisches Rathaus, Höltingmühle, Urgeschichtliches Steingrab, Stadtwall
Papenburg: Von-Velen-Anlage, Zeitspeicher, Heimatmuseum, Rathaus, Meyer Werft, Bockwindmühle
Weekeborg: Historische Sielanlage und Dorfplatz
Leer: Leda Sperrwerk, Rathaus, Museumshafen, Phillipsburg, Evenburg, Haneburg, Waage-Gebäude, Teemuseum, Markt; Emden: Dat Otto Huus, Johannes-a-Lasco-Bibliothek, Bunkermuseum, Heringslogger, Alte Pelzergasse, Kesselschleuse
Karten
Bikeline Emsradweg, ISBN: 978-3-85000-466-4
Preis: € 14,90; www.esterbauer.com
Tourismusverbände
Emsland Touristik GmbH, Tel.: 05931/442266, www.emsland-touristik.de