Der römische Limes war einer der kostspieligsten und gewaltigsten Bauwerke der Antike. Noch heute zieht sich die beeindruckende Anlage quer durch Deutschland. Wer sie ganz aus der Nähe kennen lernen möchte, der begibt sich auf Wanderschaft und wird überrascht sein, angesichts der Vielfalt, die sich auf der Route bietet.
Der Obergermanische-Raetische Limes, UNESCO-Weltkulturerbe, trennte vom Ende des 1. Jahrhunderts für über 150 Jahre die römischen Provinzen Obergermanien und Raetien von den germanischen Stammesverbänden. Ein von Menschenhand geschaffenes Bauwerk, das sich auf rund 550 Kilometern zwischen den großen Strömen Donau und Rhein erstreckte. Hunderte Überwachungs- und Sperranlagen wie Palisaden, Wachtürme, Wälle, Mauern und Gräben dienten der Sicherheit der römischen Provinzen ebenso der Legionen. Dazwischen Truppenunterkünften, so genannte Kastelle, die an strategisch wichtigen Orten installiert wurden. Auf seinem langen Weg nach Rheinland-Pfalz durchquert der Limes Bayern, Baden-Württemberg und Hessen um schlussendlich in Rheinbrohl am schönen Rhein anzuschließen. Wir haben unseren Rucksack für den Rheinland-Pfälzischen Teil der Route gepackt, erwartungsvoll was uns dort alles unter die Sohlen kommen wird.
Spurensuche
Ein guter Ausgangspunkt für unsere erste Etappe auf dem Limes von Holzhausen an der Haide ist das Geburtshaus von Nikolaus August Otto. Dem Erfinder des gleichnamigen Motors und damit berühmter Sohn der Gemeinde, dem hier mit einem Museum ein Denkmal gesetzt wurde. Unweit entfernt wartet auch bereits mit dem Kastell Holzhausen ein Bodendenkmal, das sich zu den best erhaltensten Limeskastellen in Deutschland zählen darf. Wir drehen Holzhausen den Rücken zu, laufen durch satt-grüne Landschaftsbilder mit immer schönen Ausblicken über Obertiefenbach nach Pohl, das mit einem Nachbau eines römischen Kleinkastells punkten kann. Wir wandern an dem gut sichtbaren Wallgraben entlang, erreichen Berg um wenig später einen wildromantischen Taleinschnitt zu erreichen. Dort steigen wir bergab ins Mühlbachtal, queren den Bachlauf um kurz darauf wieder den nächsten Anstieg zu meistern. So verfliegen die Stunden mit immer wieder spektakulären Einblicken in die Geschichte vergangener Tage. Wie das Keltengrab bei Dornholzhausen eindrucksvoll beweist. Dann erreichen wir Bad Ems. Die Perle an der Lahn, dessen prunkvolle Kulisse bereits bei erstem Augenschein erahnen lässt, dass es hier viel zu entdecken gilt. Bad Ems, hier wurde Weltgeschichte geschrieben. Unvergessen die so genannte „Emser Depeche“, die zum Ausbruch des Deutsch-Französischen Krieges 1870/71 führte. Bis heute erinnert das Kaiser-Wilhelm-Denkmal und der Benedetti-Stein an den schicksalsreichen Tag. Was aber Bad Ems schon in der Antike berühmt machte, geht auf die salz-, mineral- und kohlesäurereichen Quellen zurück. So tauchte einst Agrippina, die Gattin des Römischen Germanicus, ihren Körper in das Emser Wasser mit dem späteren Erfolg, dass die bis dahin kinderlose Dame einen gesunden Knaben gebar – der als Kaiser Caligula in die Geschichte einging. Wir schlendern an der Lahnpromenade entlang, genießen bei strahlendem Sonnenschein das bunte Treiben. Heute ist die Stadt an der Lahn ein modernes Heilbad. Dazu gehören viele schmucke Cafés und Restaurants. Liebevoll gestaltete Ansichten erinnern immer wieder daran, dass hier einst Kaiser, Könige, Fürsten aus den Emser Brunnen tranken und Erholung suchten. Ein wunderbarer Ort, der die Höhen vom Westerwald im Norden und dem Taunus im Süden trennt.
Landschaften & Kultur hautnah
Nach dem abwechslungsreichen Frühstück schultern wir wieder den Rucksack, laufen am Bahnhof vorbei und nehmen die Fußgängerbrücke über die Lahn. Ein letztes Mal genießen wir den Anblick vom mondänen Kurhaus aus 1715, nehmen einen Schluck aus der Römerquelle und sagen Bad Ems Adieu. Der Weg schwenkt kurz darauf nach links und wird sehr steil. Als wir den Querweg erreichen, sind wir schon wieder lange im Schatten spendenden Wald unterwegs. Rechts herum, dann wieder links und abermals bergan kommen wir ganz schön zum Schnaufen. Die Beschilderung ist tadellos. Kein lästiges Suchen nach dem richtigen Pfad trübt die Wanderlust. Gut sichtbar verläuft hier wieder der Limeswall, jene monumentale Grenzanlage, die die reichen römischen Provinzen von Germanien trennte. Der römischer Kaiser Trajan gab die Befestigung in den Jahren in Auftrag als Rom seine größte Ausdehnung erreichte. Ein Machteinfluss, der sich über weite Teile Europas und Nordafrika erstreckte. Schon damals gab es einen gemeinsamen Wirtschaftsraum, eine gleiche Währung. Sie waren der Vordenker der heutigen Europäischen Gemeinschaft. Nach so manchem Kilometer ist Kemmenau erreicht. Trinkpause, ein erster Müsliriegel, dann geht’s abermals bergan zum Fuße des Großen Kopfes. Unübersehbar steht dort ein Schild „Römerturm“. Nicht direkt auf der Route nehmen wir den extra Anstieg gerne in Kauf und werden dafür mit einem grandiosen Blick vom Stefansturm belohnt, wo sich just in dem Moment ein Paragleiter in die Lüfte erhebt. Zurück auf der Hauptroute steuern wir Arzbach an, das mit seiner Römerquelle das damalige Kastell mit Wasser versorgte. Auf jedem Meter Boden zeigt hier der Westerwald sein unverwechselbares Gesicht. Es ist hügelig – endlose Ebenen sind nicht in Sicht. Lichter Laubwald weist uns den Weg von einer Schutzhütte zur nächsten. Bänke laden zur Rast ein. Immer wieder stoppen wir an Schautafeln, die viel Wissenswertes über den Limes preisgeben. Ein Bachtal folgt dem nächsten bis wir die restaurierten Überreste vom Kastell Hillscheid erreichen. Das und viele andere sorgten für Sicherheit, aber auch für einen geregelten Grenzverkehr. Von hier ist es auch nicht mehr weit in das benachbarte Höhr-Grenzhausen, das den Mittelpunkt der größten und berühmtesten Keramiklandschaft Deutschlands markiert.
Immer in Richtung Rhein
Der Westerwald gilt seit jeher als wichtiges Zentrum der Tonindustrie.
Ton oder das „Weiße Gold“, wie der Volksmund sagt, wird wegen seiner hohen Qualität weltweit geschätzt und ist ein Exportschlager. Ebenso die Produkte der Keramikindustrie. Wer Zeit hat, der besucht das Keramikmuseum und erfährt viel von den Anfängen bis in die Gegenwart. Ein Blick in unseren Wanderführer verrät, dass wir heute nur ein Drittel von den Höhenmetern gegenüber Gestern zu leisten haben. Meine Damen grinsen fröhlich – dann geht’s auch schon wieder los. Wir unterqueren geschwind die A48 und sind froh gleich darauf wieder in dichten Laubwald zu marschieren. Ein Serpentinenweg führt bergab und schon erblicken wir den Nachbau eines schönen Wachturms mit einer Reihe an Palisaden. Die Weitsicht in das Rheintal und die Eifel ist grandios. Was stört ist das hässliche Atomkraftwerk bei Mülheim-Kärlich, was so gar nicht in die Kulisse passen mag. Ein schmaler Pfad führt nun bergab. Der mündet auf einen breiten Ziehweg, der am Klettergarten vorbei nach Bendorf- Sayn führt. Weithin sichtbar liegt malerisch von Wald umgeben die ehemalige Prämonstatenserabtei aus 1202 mit seinem herrlichen Romanischen Kreuzgang. Kurz darauf erblicken wir die Ruine der Burg Sayn, der Stammburg der Grafen von Sayn-Wittgenstein. Und direkt darunter das Schloss mit seinem wunderbaren Schlosspark und See. Mit Attraktionen ist dieser Ort wahrlich reichlich gesegnet. Tipp: Wer mit Kindern unterwegs ist, der sollte das Schmetterlingshaus besuchen – es lohnt sich. Hier lassen wir uns unter einer dicken Eiche nieder, verzehren einen Teil vom Tagesproviant, um frisch gestärkt den nächsten Etappenabschnitt nach Neuwied-Oberbieber zu beschreiten. Nachdem wir das Gesamtensemble ausgiebig gewürdigt haben, stapfen wir auf einem breiten Forstweg bergauf, der in einen Teerweg mündet, der so wie es scheint gar nicht mehr enden mag. Direkt am Limeswall stoßen wir auf den Rastplatz „Spielmanns Heiligenhäuschen“, wo die Grundmauern des Turmstumpfes 1/43 rekonstruiert wurden. Dann geht’s bald abwärts mit schönen Blicken ins Rheintal bis nach Oberbieber.
Dem Ziel ganz Nahe
Seit mehr als 100 Jahren gibt es Ausgrabungen am Limes und es wird Forschung betrieben, deren Erkenntnisse heute der Allgemeinheit zu Verfügung stehen. Rad- und Wanderwege, verschiedene Museen erschließen das Weltkulturerbe. Die damalige Zeit anschaulich verständlich gemacht – was für eine großartige Idee das doch war. Mit dem Wissen machen wir uns auf die letzte Etappe zum Ziel. Dabei starten wir an der alten Brücke in Oberbieber und schwenken nach Norden zum Ortsrand, um kurz darauf wieder einmal in den Wald einzutauchen. Der weicht bald einer Wiesenlandschaft. Wir besichtigen die Ruine am Ortsrand von Melsbach, die den Weg nach Niederbieber weist. Hier haben sich die Römer mit einem Bad unsterblich gemacht, deren Grundmauer einen guten Eindruck von der Größe der Anlage bietet. Über das Flüsschen Wied geht’s nach Segensdorf und weiter nach Rodenbach, wo wir wieder aufwärts wandern und immer wieder sehr schöne Weitsichten möglich sind. Langsam schnuppern wir den Rhein. Auf dem Beulenberg besteigen wir den Turm, blicken umher, gönnen uns einen Schluck aus der Trinkflasche und laufen auf Arienheller zu. Das ist die letzte Wegmarke zum Ziel in Rheinbrohl, dem nördlichsten Ende des Limesweges. Angekommen. Noch nicht so richtig, denn ein Besuch in der Römerwelt ist quasi Pflicht. Ein Erlebnismuseum für jung und jung gebliebene. Hier legen wir dann wirklich den Rucksack auf Seite. Die Gedanken gehen zurück zum Ausgangspunkt des Rheinland-Pfälzischen Teils des Limesweges, mit dem großen Wunsch bald wieder einmal auf den Spuren der Römer wandern zu dürfen.
Infobox Limesweg
Charakter
Wer sich auf dem Rheinland-Pfälzischen Teil des Limesweges begibt wird seine Freude haben. Auf den rund 100 Kilometern erlebt der Wanderer grandiose Landschaften, ebenso eine lückenlose Ausschilderung. Auch die Wegequalität lässt keine Wünsche offen und ist deshalb auch mit gut konditionierten Kindern zu bewältigen.
Bücher und Karten
Bergverlag Rother-Limesweg von Thorsten Lensing, IBAN: 978-3-7633-4432-1, 14,90 Euro, www.rother.de
Ausrüstung
Die wichtigsten Ausrüstungsgegenstände: Wanderschuhe mit Profilsohle, Tagesrucksack, Tagesproviant, Trinkflasche, Erste Hilfepaket, Sonnenhut, Wanderstöcke. Auf Wunsch kann vorab der Gepäcktransfer in die nächste Unterkunft organisiert werden.
Beste Reisezeit
Der Limesweg ist ganzjährig bewanderbar. Jede Jahreszeit hat ihren ganz besonderen Reiz.
Anreise
Bahn: Anfahrt nachBad Ems. Das hat zwei Bahnhöfe: Hauptbahnhof und Bahnhof-West und ist via Koblenz oder Limburg direkt erreichbar. Von dort weiter mit Bahn und Bus zum Ausgangspunkt Holzhausen an der Haide. In Montabaur befindet sich der ICE-Bahnhof der Hochgeschwindigkeitsstrecke Köln-Frankfurt.
Auto: Koblenz an Rhein und Mosel ist Verkehrsschnittpunkt zu B 9 und A 61 und nur 15 Autominuten von Bad Ems entfernt. Von dort auf der 260 über Singhofen ans Ziel. Der nahe gelegenen Autobahnzubringer bei Montabaur bildet den Zugang zur A3.
Infostelle
Stadt- und Touristikmarketing Bad Ems e.V.
Tel.: 02603/9415-0, www.bad-ems.info