Eine Wanderung auf dem Soonwaldsteig ist gleichzeitig ein Streifzug in die Stille und Einsamkeit mitten in Deutschland. Dabei hält der Hunsrück auf jedem Schritt eine Fülle an Überraschungen parat. Ein Potpourri aus Wildnis, zu Stein gewordene Zeitzeugen, wie prächtige Burgen beweisen, und der Einklang mit der Natur machen die Route zu einem unvergleichlichen Erlebnis.
Der Soonwaldsteig schlängelt sich auf ausgewiesenen Pfaden vom idyllischen Kirn im Nahetal hinein in die wilden urwüchsigen Landschaften des Soonwaldes. Schritt auf Schritt verläuft der Weg über waldreiche Quarzitkämme und Schiefer bis in das romantische Rheintal nach Bingen. Dazwischen kann der Wanderer über weite Strecken ein in Deutschen Landen selten gewordenes Schauspiel erleben: RUHE, keine Siedlungen, kein Straßenlärm. Einzig das Glucksen kleiner Bächlein, das Rauschen des Windes in den Bäumen und munter zwitschernde Vögel sind zu vernehmen. Immer wieder laden mittelalterliche Burgen und auch Bergwerke zur Besichtigung ein. Felsformationen wecken die Lust zum Herumkraxeln. Schmale Naturpfade führen zu verborgenen Naturschönheiten. Die Gegebenheiten waren bereits Johannes Bückler alias Schinderhannes bekannt, der mit seinen Weggefährten um 1800 die Region durchstreifte. Das ist freilich lange her. Doch bis zum heutigen Tag begegnet man allerorts auf dem Soonwaldsteig der Geschichte des legendären Räuberhauptmanns…
Kopfüber ins Naturvergnügen
Kirn ist eine lebendige Kleinstadt und viel besuchter Marktort mit einer langen Tradition. Ein Rundgang führt zu Gebäuden aus fünf Jahrhunderten. Dabei bestechen besonders die herrschaftlichen Bauten der Fürstenfamilie von Sayn-Kyrburg ebenso wie die vielen Fachwerkhäuser im Zentrum. Hoch über der Stadt thront seit 1128 die Kyrburg, die hinter ihren dicken Mauern im Gewölbe ein einzigartiges Whisky Museum verbirgt. Auf dem Marktplatz hingegen, direkt am Schinderhannes Haus ist unübersehbar der Start für unsere Tour auf dem Soonwaldsteig. Alles Nötige im Gepäck und ausreichend Wasser in den Flaschen wandern wir nach nur wenigen Minuten bergan in den Wald hinein.
Mühelos haben wir den ersten Bergrücken genommen und genießen die Fernsicht. Wir erblicken die Kallenfelser Quarzitklippen, machen Bekanntschaft mit den ersten Burgen aus dem Mittelalter. Besonders gut gefällt uns dabei Burg Stein, die sich bizarr an den Felsen klammert. Und in der Ferne, da grüßt bereits Schloss Wartenstein. Ist man erst einmal dort angekommen, hat man erneut einen herrlichen Panoramablick in die Kirner Dolomiten und auf die zurückliegenden Bollwerke.
Der nächste Ort heißt Hahnenbach. Ein schmucker Ort mit einer wunderbaren historischen Brücke. Diese liegt nicht direkt auf der Route, der kleine Abstecher ist allerdings lohnenswert. Steinbachtal, Hahnenbachtal – wildromantische Pfade mit ihren beidseitig wurzelnden knorrigen Eichen und Kiefern führen uns weiter zur Birkenmühle nach Rudolfshaus. Hier steigt der Weg steil an. Ein Tunnel mitten durch das Schiefergebirge wirkt abenteuerlich, bevor wir von einem Felssporn aus die Anlage der Schmidtburg sichten.
Geschichte hautnah erleben
Immer deutlicher zeigen sich nun die Spuren des Schieferabbaus. 400 Millionen Jahre soll der Hunsrückschiefer alt sein, der bereits im Mittelalter über und unter Tage abgebaut wurde. Alte verrostete Schienen zeugen von jenen Tagen als hier die Loren das Gestein abtransportierten. Das Besucherbergwerk Herrenberg, das wir schon bald erreichen sollen, weiß dazu einiges zu berichten. Angekommen auf dem Wanderparkplatz bei Bundenbach lassen wir uns an der schönen Schinderhannestränke nieder. Die lässt keinen Zweifel daran, dass sich auch hier der Räuberhauptmann mit seinen Gesellen herumgetrieben hat.
Zur Zeit der Franzosenherrschaft 1792 betrieben zahlreiche Räuber ihr lichtscheues Gewerbe in den Wäldern und Fluren des Hunsrücks. Manch einer versuchte nach Beendigung der Kämpfe durch Raub und Diebstahl seinen Lebensunterhalt zu sichern. Die großen Waldungen der Region boten den Spießgesellen sichere Schlupfwinkel. Die allgegenwärtige Unsicherheit hatte in jener Zeit so dramatisch zugenommen, dass man mit allen Mitteln den Gesellen nachstellte. Die Banden unterstanden jenem Räuber, dessen Namen auf dem Hunsrück noch heute in aller Munde ist. Der legendäre Johannes Bückler, besser bekannt unter dem Namen Schinderhannes. Ob er jemals in aller Ruhe Karten gespielt hat, während draußen vor dem Wald die französischen Besatzer die Gegend nach ihm durchkämmten, ist natürlich nicht überliefert. Wahr ist aber, dass Peter Petri zu seinen Gefolgsleuten gehörte. Den „Schwarzen Peter“ kennt heute noch jedes Kind aus einem Kartenspiel. Nach unzähligen Raubzügen wurde er dann dingfest gemacht und nach Mainz geschafft, wo seine zweifelhafte Karriere 1803 im Alter von nur 24 Jahren auf dem Schafott endete. Wenige Meter von der Tränke entfernt geht es nun im Besucherbergwerk unter Tage – was wir nur empfehlen können. Durch Mischwald gelangen wir im Anschluss zur rekonstruierten keltischen Höhensiedlung Altburg. Eine Siedlung, die einst eine Fläche von rund 12.000 Quadratmetern einnahm. Wirklich ein idealer Ort für eine Festung. Heute stehen hier einige Nachbauten. Menschen in traditioneller Kleidung lassen sich hier im Sommer nieder und geben interessante Einblicke in die Lebensweise vergangener Jahrtausende. Läuft man nur ein wenig weiter öffnet sich das Tal und gibt einen weiteren herrlichen Blick auf die Ruine der Schmidtburg frei. Die wie auch die allermeisten anderen Burgen im Hunsrück im 17. Jahrhundert der Zerstörungswut der Franzosen zum Opfer vielen.
Luxusgüter en masse
Wir steigen hinab ins Tal. Überqueren via Holzbrücke den rauschenden Hahnenbach und folgen der perfekten Ausschilderung zum Teufelsfels mit Aussichtsturm. Die Fernsicht ist phänomenal, die Relaxliegen aus Holz darunter einfach nur entspannend. Die Landschaften, ebenso die unendliche Ruhe, ergreifen Besitz von mir. So sehr, dass ich einfach wegdöse. Wir sind mitten im Lützelsoon – einem der einsamsten Abschnitte auf dem Soonwaldsteig. Der Höhenzug bringt uns auf felsigem Untergrund zum nächsten Abstieg ins beschauliche Simmerbachtal. Schweißtreibende Anstiege und Absteige gehen hier Hand in Hand über bis wir Gemünden erreichen. Urwüchsig und spannend führt der Track nun zu einer Abbruchkante, die doch etwas Trittsicherheit abverlangt. Dicke bemooste Steine zwischen Buchen und Eichen geben dem Ort etwas Märchenhaftes. Wir sind auf dem Großen Soon, der uns geradewegs die Richtung zur Ruine Koppenstein weist. „Des Hunsrücks Wahrzeichen sollst Du sein, grauer trotziger Koppenstein“, besagt die Infotafel. Knappe 60 Stufen führen nach oben, grandiose Aussicht garantiert. So geht es weiter im Naturreigen gespickt mit zu Stein gewordenen Zeitzeugen. In geschätzter Regelmäßigkeit tauchen sie einfach aus dem Nichts auf – zeitlos – von den Betrachtern bestaunt wie auch die Alteburg beweist. Kein Wunder, dass die in Deutschland selten gewordene Wildkatze die Region ihr Zuhause nennt. Mit dem Ellerspring und seinen stolzen 657 Metern haben wir dann auch die höchste Erhebung auf dem Soonwald gemeistert. Begleitet vom munter dahinplätschernden Gräfenbach wandern wir nun beschwingt zum Naturschutzgebiet der Glashütter Wiesen. Eine riesige Offenfläche, umgarnt von Wald mit herrlich altem Baumbestand und wogendem Gras. Hier lassen wir uns für eine ausgiebige Rast nieder. Trinken, Essen, Ausruhen und die Natur inhalieren.
Immer in Richtung Rhein
Immer wieder halten wir inne und schießen ein Foto zur Erinnerung. Sagenumwoben mutet der Wald an mit seinen sumpfigen Arealen, den bemoosten Bäumen und den Singvögeln, die darin munter von Ast zu Ast springen. Es geht wieder einmal bergauf. Wir überqueren geschwind eine Landstrasse und steuern den Schanzenkopf an. Ein Aussichtspunkt folgt dem nächsten. Denkt man, man hätte so nahe am Ziel schon alles gesehen wird man schnell eines besseren belehrt. So verfliegen die Tage. Über das Naturschutzgebiet Katzenkopf, ein Ort wo sich der Wald völlig selbst überlassen wird, steuern wir das „Hochsteinchen“ an. Ein weiterer Aussichtsturm. Hat man erst die Aussichtsplattform erreicht, so scheinen hier die Rotorenblätter der Windräder zum Greifen nahe. Schenkt man der Wanderkarte nun glauben, so geht’s jetzt nur noch bergab bis nach Rheinböllen, wo wir uns bereits über eine heiße Dusche in der Unterkunft freuen. Nach einer geruhsamen Nacht und einem stärkenden guten Frühstück gehen wir die letzte Etappe auf dem Soonwaldsteig an. Dafür wandern wir hinab ins Guldenbachtal, unterqueren eine Strasse und laufen geradewegs in den Binger Wald hinein. Der Kandrich, eine Erhebung, ist schnell gemeistert, bevor wir zwei Stunden später die Lauschhütte erreichen. Hier gibt es ein Forsthaus, das ausgehungerten Wanderern zu neuer Energie verhilft. Wir ziehen allerdings weiter zum Jägerhaus mit seiner danebenliegenden Steckeschlääferklamm im Morgenbachtal. Hier haben sich Künstler in Form von geschnitzten Kobolden, Hexen und Waldgeistern in den Wurzeln der Bäume verewigt. Dazwischen fließt der Haselbach – wunderbar. Entlang dem Morgenbachtal folgen wir talwärts und genießen die letzten wildromantischen Waldmomente auf dem Soonwaldsteig. Der Weg wird schmal, felsig und ist teilweise mit Seilen gesichert, was einen Hauch von Alpinem Flair erahnen lässt. Dann liegen sie vor uns: Burg Reichenstein und Burg Rheinstein. Letzteren statten wir einen langen Besuch ab. Das obere Mittelrheintal zwischen Bingen und Koblenz gehört seit 2002 zum UNESCO-Welterbe – zu Recht wie wir finden. Wir schlendern durch den Burggarten dieser Spornburg, erklimmen die höchsten Türmchen und sind entzückt von der grandiosen Aussicht. Dann zieht es uns weiter des Weges über den Damianskopf auf den Prinzenkopf. Unter uns liegt Bingen am Ufer des Rheins. In der Ferne thront auf der gegenüberliegenden Seite das Niederwalddenkmal inmitten herrlicher Weinberge. Unter uns liegt der berühmte Mäuseturm wo sich nur unweit entfernt die Nahe mit dem Rhein vereint. Was für eine Kulisse, was für eine großartige Tour, die wir so schnell nicht vergessen werden.
Charakter
Ob Wegweisung, Streckenführung oder kulturelle Leckerbissen am Wegesrand – der Soonwaldsteig bietet auf rund 86 Kilometern ungetrübtes Wandervergnügen für Jung und jung Gebliebene. Trinkwasser: Auf ca. 40 Kilometern der Wegstrecke im Lützelsoon und im Großen Soon berührt der Steig keine Siedlungen – deshalb ausreichend Flüssigkeit mitführen!
Beste Reisezeit
Der Soonwaldsteig ist ganzjährig bewanderbar. Jede Jahreszeit bietet dabei ganz besondere Einblicke in die Natur.
Anreise
Mit der Bahn nach Kirn: Regional-Express-Linie RE3 Saarbrücken-Frankfurt, Regio-Linie RB 33 Mainz-Türkismühle, Regio-Linie RB 65 Bingen-Kaiserslautern. Fahrplanauskunft unter: 01801/766766; www.rnn.info
Mit dem Auto nach Kirn:
Von Norden und Süden kommend: Über die A61 bis Waldlaubersheim/Bad Kreuznach und weiter auf der B41 zum Ziel.
Von Westen kommend: Über die A1 und die A62 bis Ausfahrt Birkenfeld und weiter über die B41 nach Kirn.
Kostenfreies Parken in Kirn: Möglich im Bereich der Kreuzung Kallenfelser Strasse/ Berger Weg.
Rücktransport: Die Nahelandtouristik bietet nach Vereinbarung via Shuttel auch den Rücktransport von Bingen nach Kirn an.
Bücher und Karten
Abenteuer Soonwaldsteig von Heidrun Braun (Publicpress Verlag; IBAN 978-3-89920-819-1; 13,99 Euro). Soonwaldsteig Wanderkarte; (Publicpress Verlag ISBN 978-3-89920-651-7; 9,99 Euro
Ausrüstung
Auf dem Soonwaldsteig kann auf Wunsch ein Gepäcktransport organisiert werden (siehe Infos). In den Tagesrucksack gehören neben Erste Hilfe Tasche, Sonnencreme und Regenschutz ebenso der Tagesproviant und eine Trinkflasche. Leichte Wanderschuhe mit Profilsohle sind völlig ausreichend. Für die Camper: Die Organisatoren stellen drei Trekkingcamps in Alteburg, Ellerspring, Ochsenbaumer Höhe zu Verfügung (siehe Infos). Darüber hinaus bieten die Ruine Schmidtburg und die Lauschhütte Zeltplätze an.
Infos
NAHELAND-TOURISTIK GMBH, Tel. 06752 1376 10; www.naheland.net, www.hunsruecktouristik.de; www.soonwaldsteig.de