Oh Du schöner Westerwald!

Der Westerwald: Das ist ein Wechsel zwischen weiten Landschaftsbildern, schier endlosen Mischwäldern, schmucken Dörfern und sanft geschwungenen Hügeln. Darüber pfeift der Wind so kalt wie es im berühmten Westerwaldlied besungen wird. Im nördlichen Rheinland-Pfalz gelegen, bietet die Region eine Vielzahl an gut ausgebauten Radwegen, die es zu erkunden gilt

Als Radfahrerdestination für den nach Stille dürstenden Naturfreund ist die reizvolle Lage vom Westerwald schon lange kein Geheimtipp mehr. Die Radwegeschilder mit dem pfiffigen Logo „Westerwald Rad“ tun ihr übriges und bieten uns heute zusätzliche die Möglichkeiten, all die grandiosen landschaftlichen Höhepunkte aus der Sattelperpektive zu erleben. Begrenzung erfährt der Landesteil durch die Flüsse Rhein, Dill, Sieg und der Lahn im Süden. Wo einst die Römer mit dem Limes an die äußerste Grenze ihres Reiches stießen, haben wir in der Nähe von Montabaur im schönen Eisbachtal die Räder bestiegen und richtig kräftig in die Pedale getreten.

Entschleunigtes Radwandern

Malerisch im Eisbachtal liegt die Studentenmühle. Ausgangspunkt unserer mehrtägigen Rad-Rundtouren. Den Namen verdiente sich die Mühle durch Herzog Adolf von Nassau, der im vorigen Jahrhundert einer Schar Studenten eine Mahlzeit offerierte. Dort wo beidseitig dicht bewaldete Hänge steil aufragen, überradeln wir mittelalterliche Brücken und stapfen urigen Dörfer entgegen. Reckenthal ist so eines, wo Herbert Fischer die deutsche Wanderreiterakademie führt. Auf der Höhe streichelt uns frischer Wind durchs Gesicht. Beidseitig wurzeln aus dicken Baumstämmen kunstvoll gestaltete Skulpturen am Wegrand. Im Wellenritt pedalieren wir nach Welschneudorf. Stoppen am schmucken Fachwerkrathaus bevor uns abermals Schatten spendender Wald verschluckt. Ein Reh nimmt Reißaus, das Eichhörnchen wägt sich im Geäst über unseren Köpfen in Sicherheit. Ist das der Ort an dem sich Hase und Igel noch eine Gute Nacht wünschen? Alles deutet darauf hin – und das ist wunderbar so. Dieses Gefühl von endlose Ruhe verspüren zu dürfen. Arzbach rückt in den Fokus. Ein Luftkurort und Wegmarke für den nächsten Anstieg, der parallel zum Limesradweg nach Eitelborn führt. Der Fotostopp an der Sporkenburg lohnt – eine spätmittelalterliche Burgruine aus dem 13. Jh. Inmitten des Naturpark Nassau radeln wir Hillscheid entgegen. Wo einst die Römer ihre Zelte aufschlugen erwartet uns heute ein Rekonstruiertes Kastell, das wir uns interessiert ansehen. Erst dann steigen wir wieder auf unsere Räder. Wenige Pedalumdrehungen trennen uns noch vom tönernen Herzen des „Kannenbäckerlandes“ in Höhr-Grenzhausen. Mittelpunkt der größten und berühmtesten Keramiklandschaft Deutschlands. Ton, das „Weiße Gold“ des Westerwaldes, wird wegen seiner Qualität weltweit geschätzt und exportiert. In gewohntem Landschaftsprofil mit seinen vielen Wadenbeißern sausen wir am Erlenhofsee von Ransbach-Baumbach entlang über Wirges nach Montabaur. Ganz gleich aus welcher Himmelsrichtung man sich der Stadt auch nähert, das leuchtend gelbe Schloss – ein zu Stein gewordener Barocker Prunkbau aus dem 13. Jh. – beherrscht das Gesamtbild. Bis ins Jahr 959 reicht die Geschichte der Stadt zurück. Auch der Adel wusste schon damals, wo es sich gut residieren ließ. Erzbischof Dietrich von Wied, der 1217 aus dem Heiligen Land wiederkehrte, ließ die zerstörte Burg – das heutige Schloss – wieder aufbauen. Wegen der Ähnlichkeit zum Berg Tabor in Israel nannte er den Ort Mons Tabor. Daraus wurde Montabaur. Der Sauerbrunnen vor dem Neugotischen Rathaus plätschert. Dicht gedrängt ducken sich historische Fachwerkbauten. Gegenüber recken sich die beiden Glockentürme der Stadtkirche in den blauen Himmel. Und dazwischen, da warten viele gemütliche Cafés und Restaurants auf den Genussradler bevor sich der Kreis unserer ersten Rundtour schließt.

Ländlich entspannt ins Buchfinkenland…

Das Gelbachtal ist ein gemütlicher Flecken Erde. Man spricht platt und die Uhren ticken anders als anderswo. Klein- und Kleinstdörfer liegen wie auf Perlenschnur aufgefädelt am Radweg. So auch die 100-Seelengemeinde Wirzenborn, die sich seit über 500 Jahren mit einer wunderbaren Wallfahrtskirche schmückt, in deren Mauern das Gnadenbild, eine Madonna aus dem 14. Jh., bestaunt werden kann. In Blickweite des munter dahingurgelnden Gelbaches radeln wir der Beschilderung folgend durch dichten Wald und Wiesenlandschaften nach Kirchähr. Die schöne Holzbrücke überqueren wir im Nu. Dann geht’s steil bergauf ins Buchfinkenland. Die Namensgebung geht auf die waldreiche Region zurück, die einen besonders hohen Bestand an Singvögeln, insbesondere Buchfinken, aufweist. Hübsche Fachwerkdörfer wie Hübingen, Horbach und nicht zuletzt Gackenbach mit seinem Wild- und Freizeitpark bilden die Klammer des reizvollen Landstrichs. Die Zeiten wo früher Bauern ein einfaches und hartes Leben führten sind lange vorbei. Geblieben sind aus dieser Epoche die den damaligen Lebensverhältnissen angepasste Küche. Schmankerl die begeistern. So findet man heute noch auf dem Speiseplan im Westerwald den „Eierkäs“ oder die „Mehlsklöß“ mit reichlich und noch mehr Speckzwiebeln – lecker. Zur besseren Verdauung wird dann der Westerwälder Kümmel gereicht, natürlich in der traditionellen Tonflasche. Bevor wir uns wieder ins Tal hinabstürzen erblicken wir in der Ferne den Köppel mit Aussichtsturm. Daneben die Alarmstange, die mit 540 m ü. NN auf der Montabäurer Höhe die höchste Erhebung im Unterwesterwald markiert. Gemütlich rollen wir zum Ausgangsort zurück, fasziniert von der Vielfältigkeit, die sich uns heute wieder geboten hat.

Den Wind im Rücken…

Einzig das beruhigende Plätschern des Eisbaches durchbricht die Stille als wir uns am Morgen in den Sattel schwingen. Schroff zeigt sich die Flanke des Bornkastens. Eine gewaltige Erhebung, wo früher der Basalt gebrochen wurde, der nicht nur im Westerwald als profanes Kopfsteinpflaster, sondern auch in der meisterhaften Steinbildhauerei Verwendung fand. Dahinter versteckt liegt Nomborn, das mehrfach in Folge zum schönsten Dorf im Westerwald prämiert wurde. Nicht zuletzt wegen seiner hübschen Dorfkirche aus dem 15. Jh. Ausgesuchte Radwege begleiten uns zum weithin sichtbaren Malberg. Ein Naturschutzgebiet bei Leuterod, auf dessen markantem Bergrücken die Kelten einst eine Ringwallanlage installierten, deren Reste bis heute jeder Witterung trotzen. Rechts herum, dann links, bergan und bergab, durch tiefe Wälder hindurch, rollen wir entlang ausgedehnter Viehweiden dahin. Wo bunt gewürfelt urige Dörfer ihren Platz gefunden haben, sausen wir am Herschbacher Kloster vorbei nach Selters. Die Gemeinde war mit Hartenfels an der historischen Handelsstraße zwischen Köln und Frankfurt gelegen. Hoch auf der „Schmanddippe“, einem frühen Ausguck, blicken wir ins Umland. Wiederholt streichelt uns eine frische Brise durchs Gesicht. Dann geht’s weiter nach Siershahn, wo just in dem Moment die letzte Grubenbahn im Tonbergmuseum abfährt. Ein Stopp, den man nur empfehlen kann. Schneller als gedacht finden wir uns wieder im schönen Gelbachtal. Wir rasten ausgiebig bei der kleinen Waldkapelle „Bildches Eich“ bei Großholbach. Und sind uns schnell einig, dass wir unsere vielen wunderbaren Eindrücke im Westerwald –

die wir im wahrsten Sinne „erfahren“ durften – unbedingt an die große Zahl der Genussradlern weiterempfehlen müssen…

Infos

Start/Ziel: Montabaur/Studentenmühle (Rundkurse) Touren: 1.) ca.72 km / 2.) 44 km / 3.) 75 km – Länge Gesamt: ca. 191 Kilometer

Anreise

Bahn: Montabaur verfügt über einen ICE Haltepunkt – allerdings ist die Fahrradmitnahme nicht gestattet.

Auto: Eine Anreise mit dem eigenen Fahrzeug bietet sich an, da es sich bei allen Routen um Rundwege von und nach Montabaur/Studentenmühle handelt. Von Norden kommend: Ausfahrt Montabaur an der A3 und weiter Richtung Limburg. Von Süden auf der A3 kommend: Abfahrt Diez/Nentershausen und weiter Richtung Montabaur. Bei Klein/Großholbach ins Eisbachtal abbiegen.

Streckencharakter

Der Westerwald ist recht hügelig, ein bergtaugliches Trekking- oder Mountainbike ist auf den Touren erforderlich. An der Touristinfo Montabaur können auf Wunsch E-Bikes ausgeliehen werden. Meist führen die drei beschriebenen Routen über gut ausgebaute Wirtschaftswege, verkehrsberuhigte Straßen und befestigte Waldwege. Die Mitnahme eines GPS Gerätes incl. den GPX Tracks ist zu empfehlen.  

Sehenswertes

Tour 1

Reckenthal: Skulpturenpark

Welschneudorf: Kirche und Kurfürstenhalle

Arzbach: Limesturm, Altes Fachwerkrathaus, Pfarrkirche St. Peter u. Paul

Eitelborn: Sporkenburg (Spätmittelalterliche Burgruine)

Hillscheid: Rekonstruiertes Römerkastell und Römischer Wachturm, Heimatmuseum

Höhr-Grenzhausen: Keramikmuseum Westerwald, Ehemaliges Römisches Kastell, Burg Grenzau

Hilgert: Denkmalgeschützte Schule, Pfeifenbäckerei und schöne Fachwerkbauten

Ransbach-Baumbach: Stadtkirche, Erlenhofkapelle am See

Wirges: „Westerwälder Dom“

Dernbach: Heilbornkapelle, Köppel Aussichtsturm

Montabaur: Schloss Montabaur, Wolfsturm, Neugotisches Rathaus, Historische Fachwerkhäuser, Stadtkirche St. Peter in Ketten, Segelrundflüge

Wirzenborn: Wallfahrtskirche mit Pfarrhaus, Motorradmuseum, Stationenweg

Großholbach: Pfarrkirche, Gräfliches Fachwerkhaus, “Bildsches Eich“ –

Kapelle im Wald

Tour 2

Nentershausen: Fachwerkhäuser, Kirche St. Laurenzius

Nomborn: Wehrkirche St. Kilian mit Spätgotischer Traubenmadonna, gesamtes Dorfbild unter den Linden, Bornkasten

Ettersdorf: Alte Mühle

Gackenbach: Wild- und Freizeitpark, Pfarrkirche St. Bartholomäus

Horbach: Fachwerkhäuser

Stahlhofen: Dorfkirche

Wirzenborn/Großholbach: Siehe Route 1

Tour 3

Ruppach-Goldhausen: Goldhäuser Mühle, Dorfkirche, Fachwerkbauten

Leuterod: Ausflug zum Malberg eine ehem. Keltische Kultstätte

Maxsain: Fachwerkhaus „Sahm“, Dorfkirche

Herschbach: Kloster Marienheim, Laurenziuskapelle, Historische Rathaus, Pfarrkirche

Selters (Westerwald): Heimatmuseum

Siershahn: Tonbergmuseum, Piuslinde

Wirges/Dernbach/Montabaur: Siehe Route 1

Niederelbert: Biothoplehrpfad, Kirche St. Josef

Holler: Dorfkirche

Wirzenborn/Großholbach: Siehe Route 1

Karten, Reiseführer

Radwanderkarte Westerwald-Lahntal

ISBN: 978-3-89920-234-2, 4,95 Euro

www.publicpress.de

Weitere Informationen

Westerwald Touristik-Service, Tel: 0 26 02 / 30 01-0

www.westerwald.info

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